Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 13

PACK DEN TIGER IN DEN TANK

Tanken war ein Erlebnis. Das war nicht einfach nur ein lästiges Muß, nein das Tanken wurde zelebriert, eine heilige Handlung, die meinem Vater und mir vorbehalten war. Wir fuhren rausgeputzt zur Esso-Frau mit der bunten Kittelschürze und den mit Gummistiefeln gepanzerten Beinen – auch bei der größten Hitze im Sommer. In diesen Stiefeln war was los. Ein lebendiges Treiben quirliger Kleinstlebewesen, im Kampf um den besten Platz zwischen den schwitzigen Fußzehen dieser Essofrau.

Wir fuhren unter das Tankstellenvordach, platzierten uns neben einer der beiden Tanksäulen und warteten bis in einem Fenster zwei Meter über unserem Auto der Kopf der Essofrau erschien und fragte: “Guten Morgen Männer, was wollt Ihr?” Mein Vater wollte den Tiger in den Tank und ich die wertvollen Bilder von Heinz Sielmann und Hans Hass für meine Sammelbücher “Könige im Tierreich”, “Babies der Wildnis” und “Vorstoß in die Tiefe”. Dank des enormen Kraftstoffverbrauchs unserer 70er Jahre Kutschen ( ich erinnere mich noch genau an den kantigen bronzefarbenen K70 von VW) hatte ich die Bücher bald voll und mein Ziel erreicht. Der Komodowaran, der Schwarze Panther und die Seekuh waren meine absoluten Lieblinge. Außer Benzin und Tierbilder hatte die Essofrau nicht viel zu bieten, aber sie hatte immer Zeit für einen kleinen Plausch, es gab keine Eile und es wurde mit Bargeld bezahlt.

Wenige Jahre später hatte die Essofrau ihre Tanksäulen geschlossen, die Seekuh war ausgestorben und die Tankstellen und ihre Angebote wurden immer größer, aber Tanken sollte nie wieder so aufregend sein, wie bei der Essofrau.

Der Weltraum, unendliche Weiten Teil – 12

DANKE DESS WÄHRS!
Als Grundschüler durfte Thomas alleine zum Metzger gehen. Ob er wollte oder nicht, er mußte. Der Weg zum Metzger führte zunächst vorbei an der Burg des Schiffschaukelbremsers. Hier mußte Thomas schnell sein, denn die Angriffe auf seine Burg wird ihm der alte Brunner nie verzeihen. Dann um die Ecke, die Straße hoch, vorbei am Spielplatz, der für Thomas wie eine Schatzinsel war: wenn er lange genug den Sand durchwühlte, fand er garantiert ein altes matchbox-Auto oder zumindest Autoteile. Viel öfter aber ekelhafte Hundescheiße von Waldi und Kollegen.
Nach dem Kinderspielplatz und beliebtem Hundeklo waren es nur noch 100 Meter bis zur nächsten Straßenecke und dann das dritte Haus links: Metzgerei Baum & Sohn. Tür auf und rein. “Dieedä, zerhack’ der Frau ma die Knoche!.” Thomas weiß nicht wie ihm geschieht und sieht das Metzgerbeil niedersausen, und nochmal und nochmal… Gebannt schaut er auf das Beil. Viel ist von der Frau nicht mehr übrig geblieben, denkt er und hört dann neben sich die Frau mit den zerhackten Knochen rufen: “…zu dene Suppeknoche noche värtel Fleischworscht un hunnert Gramm Uffschnitt. Danke dess währs!

Heute ist ein schöner Tag

Heute ist ein schöner Tag. Der Gestiefelte Kater liegt in seinem Lieblingsliegestuhl unter seinem Lieblingsbaum in seinem Lieblingsgarten.

Um 9 Uhr kommt Schneewittchen vorbei: Hey Schneewittchen, Du bist heute wieder schöner als es die Königin erlaubt. Wie geht’s den Zwergen?

Um 10 Uhr kommt die Hexe vorbei: Hallo werte Frau Hexe, haben sie wieder Ihre leckeren Kekse im Angebot?

Um 11 Uhr kommen die 7 Zwerge vorbei: Hey Jungs, also ich weiß nicht, gesund sieht euer Schneewittchen nicht aus, die ist ja weiß wie Schnee.

Um 12 Uhr kommen Hänsel und Gretel vorbei: Na Brüderchen und Schwesternhelferin, heute schon geknuspert? Ich sag euch, kauft bloß nix bei der häßlichen Hexe, wenn Ihr Euch nicht vergiften wollt.

Um 13 Uhr kommt der böse Wolf vorbei: Na alter Junge, biste wieder hinter Rotkäppchen her? Ich ruf dich an, wenn ich sie sehe.

Um 14 Uhr kommt Frau Holle vorbei: Hallo beste Frau Holle. Jetzt im Sommer haben Sie nicht viel zu tun, stimmt’s. Wir sehen uns dann im Winter bei den Schneekanonen.

Um 15 Uhr kommt Rotkäppchen vorbei: Na Prinzesschen, vorhin habe ich den bösen Wolf gesprochen. Der sucht dich, ich habe ihm gesagt, du bist verreist.

Um 16 Uhr kommen die fleißige und die faule Schwester vorbei: Hallooo, Ihr zwei Täubchen, heute nachmittag habe ich eure Chefin gesprochen, die olle Holle. Hängt hier faul herum, erzählt mir aber, sie hätte so viel zu tun.

Um 17 Uhr kommen die Bremer Stadtmusikanten vorbei: Na, hat der Streichelzoo heute Ausgang? Leute, Eure Zirkusnummer ist sensationell.

Danke Kater, und Du bist wirklich der eleganteste Kater, den wir kennen.

Der gestiefelte Kater ist zufrieden. So viele nette Leute hat er heute getroffen. Das war ein schöner Tag.

Am Abend besucht Ihn sein Freund, der Rumpelstilz. Sie kennen sich noch von der Brüder-Grimm-Schule.
Hallo mein lieber Rumpelstilz. Vorhin kamen diese Bremer Straßenmusiker vorbei. Aber nicht nebeneinander, sondern gestapelt. Die haben doch was an der Erbse.

Alter Freund, Die Bremer Stadtmusikanten habe ich heute auch getroffen. Und das Schneewittchen, die Hexe, die 7 Zwerge, Hänsel und Gretel, den Wolf, Frau Holle, das Rotkäppchen und die fleißige und die faule Schwester. Weißt du was die über Dich sagen: ‘die struppige Mietze hat nichts besseres zu tun als den lieben langen Tag faul in ihrem schäbigen Garten zu sitzen und die Leute anzulabern’

Das nachhaltige Glück

Das nachhaltige Glück ​
Ich stehe auf, weil der solarzellenbetriebene Wecker mich um 6:00 weckt. Die Schüsse heute nacht habe ich nicht gehört, meine dreifachverglasten Fenster bleiben auch nachts verschlossen. Eine kontrollierte Be- und entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt mich und meine Familie mit frischer Luft, auch bei geschlossenen Fenstern. Filter in der Lüftungsanlage halten im Frühjahr die lästigen Pollen von meinen Bronchien fern.
Wie gesagt, ich stehe auf, ziehe meine biotextile Funktionskleidung an und meine fußangepaßten organicrunners, verlasse das Haus im Vordertaunus auf leisen gelgefederten Sohlen und bin 5 Minuten später im immergrünen Wald und laufe bei ausgeglichenem Puls meine 10 Kilometer. “Mit dem Herz werden Sie 100 Jahre alt”, sagt mein Kardiologe.

Leicht verschwitzt bin ich 45 Minuten später unter der Dusche. Gut zu wissen, dass das Wasser durch die Sonne erwärmt wird. Das Duschwasser fließt nicht direkt in den Kanal, sondern macht einen Umweg über die Klospülung. Denn: Wasser ist kostbar.
Jetzt freue ich mich auf das selbst geschrotete Müsli aus den Körnern von güllefreien Felder und die Milch von den glücklichen Kühen gleich um die Ecke, und das Frühstück mit meiner glücklichen Frau und meinen zwei glücklichen Kindern. Kaffee, natürlich fair gehandelt und nicht in Katzenmägen vorverdaut. Das Nutella, das meine Kinder für den Start in den Tag brauchen, wird aus dem 1kg Glas geschmiert, das jederzeit an der Nutellastation beim Bäcker wieder aufgefüllt werden kann. Der Bäcker liefert uns auch die leckeren Brötchen, garantiert ohne Zusatzstoffe und die Butter? genau: von der glücklichen Milch der glücklichen Kühe des glücklichen Bauern um die Ecke.
Nachhaltig ist das gemeinsame Frühstück selbst. Über den Lucky Brainchip empfangen wir, bei Kaffee und Toast, direkt die Aufgaben für den Tag. Jeder für sich und doch alle zusammen. Kein Streit, kein Meckern. Ohne Worte starten wir glücklich in den Tag.

Das Herz unserer CO2freien Siedlung ist die Community Station, mitten im Wohngebiet. Hier wird der überschüssige Strom, den wir und unsere Nachbarn in unseren EnergiePLUS-Häusern produzieren, in die Ladestationen für die Elektrobikes und Elektroautos eingespeist. Unsere Anforderungen an die tägliche Mobilität kennt der Community Keeper und hält aus dem carsharing Pool Fahrzeuge individuell bereit oder stellt sinnvoll und kilometersparend Fahrgemeinschaften zusammen. Eigene Autos hat hier niemand. Unsere Wäsche geben wir beim Community Service ab. Sie wird in Gemeinschaftswaschautomaten gereinigt und abends liegen die frischgewaschenen Uniformen zur Abholung bereit. Die meisten von uns arbeiten im homeoffice, Lehrer und Freunde erscheinen online auf der holographic Airwall. Drohnen von Amazon bringen die Bestellungen, die der Community Consumer für uns ausgesucht hat, direkt nach Hause. Und: wir freuen uns jetzt schon auf den nächsten Urlaub im Community Illusionroom.
Außer mir hat heute niemand das Haus verlassen, meine Kinder haben schon seit Wochen den videoüberwachten Entmaterialisierungszaun unserer Gated Community nur von innen gesehen. Wir leben nachhaltig und glücklich, produzieren keine Schadstoffe, aber: Nicht jeder erhält eine Ausgangserlaubnis in den angrenzenden Wald…

Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 11

UNA FESTA SUI PRATI
Jetzt war sie also vorbei, die Zeit der vorgewärmten Unterhosen und des Ausschlafens im warmen Nest der umsorgenden Großmütter. Die eine ist tot vom Stuhl gefallen – ein Bild, das Thomas’ Hirnzellen immer für ihn bereit halten werden – und die andere meint, “Jungchen ist jetzt jroß jenug, um allejne klar zu kommen”. Und das von einem Tag auf den anderen. Mensch, Omas, einfach zu sterben und ihn zum Schlüsselkind zu machen, das ist nicht nett! Dazu sind nur die alten Soldatenfrauen fähig. Ihre Männer irgendwo in den Weiten der russischen Steppen auf dem Rückzug vor dem Endsieg. Sie, alleine, aber dafür mit 15 Kindern, dem kompletten Hausstand auf der Ladefläche eines Leiterwagens und dem Mut einer verzweifelten Generation, die zwei Kriege in Ihren Tagebüchern aufzeichnen konnten, so zogen sie los, getrieben von Menschen, die sie sich selbst zu Feinden gemacht haben… Jut, das ist jetzt 26 Jahre her und Thomas ist nicht auf der Flucht, sondern auf dem Weg zur Schule, aber trotzdem! Sein Schulranzen war grün mit orangefarbenen Reflektoren, tonnenschwer auch ohne Schulbücher und Hefte.
Das Schulgebäude war erst kürzlich eingeweiht worden, schönster Waschbeton auf kubischer Grundform, die Fenster riesengroß, die Heizkörper auch, damit man auch im Winter am Fenster sitzen konnte, ohne zu erfrieren. Eine typische staatliche Grundschule in einer typischen deutschen Kleinstadt, unaufgeregt, aber mit einer Sensation in der Klasse 1a: Ein einziger Italiener unter 36 deutschen Kindern, ANDREA. Thomas hatte drei Mitschüler mit dem Namen Andrea, die anderen waren alle Mädchen. Warum, um alles in der Welt, geben Italiener ihren Jungen Mädchennamen? Gehänselt wurde Andrea damit nur am ersten Tag, denn er hatte die schnelleren Fäuste. Und auch sonst lernte er schnell sich in seiner neuen Heimat zurechtzufinden und später spannte er Thomas und den anderen Jungs die Mädchen aus – ein typischer italienischer Junge in einer typischen deutschen Kleinstadt, die Eisdiele seines Vaters mit dem typischen italienischen Namen: CAPRI. Das bedeutete Sehnsucht nach Sonne, Strand und blauem Himmel und Adriano Celentano sang dazu: Una festa sui prati. Ein Fest auf der Wiese, na das passte wunderbar zum deutschen Mann an sich, der damals seine freie Zeit am liebsten an der schmierigen Theke seiner verräucherten Stammkneipe verbrachte, Bier saufend und über Autos schwadronierend. Gut bei Autos gab es eine Schnittmenge mit dem italienischen Mann, aber an erster Stelle standen die Frauen der deutschen Männer.

Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 10

ER KONNTE ALLES
“Is’ nich’ schlimm! Man muß auch mal mit weniger auskommen”, sagte Oma. Um das zu verstehen muß man aber erstmal erwachsen sein. Der erste Schritt dorthin war die Einschulung. “Wir schreiben das Jahr 1971, das sind die Abenteuer des Thomas T. Kirk. Er wird 14 Jahre unterwegs sein, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von zu Hause entfernt, dringt Thomas in Galaxien vor, die er nie zuvor gesehen hat. da daaa, da da da da daaa… “Der Aufnahmetest war billig, Thomas war durch zwei Großmütter bestens präpariert, er konnte alles: Hund, Katze, Maus und Haus erkennen, bis 10 zählen, seinen Namen schreiben und wußte sogar wo er wohnt. Na wenn das nicht die Grundlage für ein gutes Abitur ist, mal schauen. Also an einem Dienstag war es dann so weit, der große Tag der Einschulung war gekommen und alle gingen hin: Mama, Papa, Thomas und Tausend andere. Das war auch irgendwie das Problem. So viele Menschen war Thomas nicht gewöhnt. Die größten Menschenansammlungen, die er kannte, fanden sich an den Familiengeburtstagen zusammen. Und das war überschaubar. Und so viele fremde Kinder! Als überzeugter Kindergartennichtbesucher war das das größte Problem. “Und mit denen soll ich nun in den nächsten Jahren meine Vormittage verbringen?” Die Vorstellung war so gruselig wie Thomas Hemd mit seinem auffälligen Paicleymuster. Er trug es über der Hose, in der Hüfte von einem riesigen Gürtel im Zaum gehalten – ein echter Hippie, nur die Frisur, das war der Vietnamkrieg in Haaren. Aber die anderen sahen genauso Scheiße aus. Irgendwie fand das dann alles seine Ordnung: Tausend Kinder wurden auf 10 Klassen verteilt, tja, das waren die geburtenstarken Jahrgänge. Frau Hummel, seine Klassenlehrerin, hatte Thomas gleich ins Herz geschlossen. Das kann doch ganz nett werden. Jo, an dem Tag war sie auch nüchtern.

Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 9

JUCKEN UND KRATZEN
Frühsommer ’72, die Sonne schien an diesem Sonntag und Thomas neuer Filzanzug war so blau wie der Himmel über ihm. Dazu ein weißer Rollkragenpullover mit garantiert keiner natürlichen Faser, aber dafür aus 200% Polyester. “Das kratzt!” sagte Thomas. “Quatsch” sagte seine Mutter. “DASKRATZTABER!!” “Stell dich nicht so an” und damit war die Diskussion zu Ende.
Sonntag, der Tag der Familienausflüge, sie fuhren in dieses bepisste Kaff in der Wetterau zu Oma und Opa und Onkel und Tante. Immerhin in ihrem neuen K70 mit Frontantrieb und wassergekühlt in leuchtendem Orange, dieser wegweisende neue Fahrzeugtyp von VW mit Stufenheck, der das Design von Golf und Passat beeinflussen sollte, selbst aber nie wieder gebaut wurde. Soweit der Ausflug in die Automobilgeschichte, jetzt zurück zu Thomas Ausflug zu seinen Verwandten. Völlig durchgeschwitzt kamen sie also an, Thomas und seine Eltern. Schwitzen im Filzanzug bedeutete, Jucken und Kratzen. Dem konnte man nur entgehen indem man still sitzen blieb, denn jede Bewegung rieb die Filzfaser auf der verschwitzten Haut hin und her und das bedeutete noch mehr Jucken und Kratzen. Was war das für eine Zeit in der Kinder so leiden mußten? Thomas setzte sich zu seinem Opa, der im Nebel seiner Zigarre den genauso vernebelten internationalen Frühschoppen schaute. Soviel wie die qualmten war es jedesmal ein Wunder, wenn sie die Sendung überlebten. Thomas verstand nichts, aber dafür in Farbe und mit Fernbedienung, das war groß! Zu Hause schauten sie immer noch in diese Schwarzweißkiste, die unglaublich heiß wurde und das Bild fiel irgendwann in sich zusammen. Natürlich immer dann, wenn Scotty, der alte Schrauber, gerade mal wieder Probleme mit seinem Transporter hatte, während sein Captain gerne auf die Enterprise zurückgebeamt werden wollte, weil ihm außerirdische Lebensformen in lustigen Kostümen auf den Fersen waren. Hier bei Opa gab’s alles in Farbe und auch sonst waren das schöne Sonntage mit lecker Roulladen gefüllt mit Speck, Senf und Gürkchen und Klößen, die Thomas immer wieder überraschten: Wie kamen die Brotkrüstchen in die Mitte der Klöße? Manchmal gab’s auch Hasen, keinen falschen, sondern einen aus Opas Stall. Wenn alle beim Essen waren kam auch irgendwann Erich, ein Onkel, den keiner braucht. Verstaubt und in Arbeitsklamotten mit Kappe auf seinem Schädel, der scheinbar nur zur Nahrungsaufnahme diente, denn Erich sprach nie! Nachdem er seine 10 Roulladen reingeschaufelt hatte, verschwand er genauso geräuschlos wie er gekommen war, um an seinem Haus weiterzubauen. Als er 25 Jahre später auszog hinterließ er ein Haus mit drei Geschossen, ausgebautem Dach, Doppelgarage und Swimmingpool und eine total abgedrehte Frau. Thomas Opa hatte schon früher die Fliege gemacht, noch zu Zeiten seines BMW 2002. Dabei war Thomas so stolz, einen Opa mit BMW zu haben. Er sah ihn nie wieder, weder den Opa, noch den BMW.

Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 8

DER SCHIFFSCHAUKELBREMSER
Herr Brunner im Nachbarhaus hatte in seinem Vorgarten eine Burg aus echten kleinen Steinen gebaut, bestimmt einmeter50 hoch und gar nicht mal so übel mit roten Turmspitzen und Fahne und dem ganzen Krempel. Thomas Vater sagte: ” Der Brunner war früher Schiffschaukelbremser. ” Thomas dachte sich, was hat das mit der Burg zu tun?, stellte sich aber vor wie das so sein könnte hinter der Schiffschaukel zu stehen und zu versuchen sie zu bremsen. Und dann durch den vollen Schwung der Schaukel über den Rummelplatz zu fliegen. Na ja vielleicht war der Brunner deshalb frühzeitig in Rente gegangen, das klingt ja nicht ungefährlich!
Die beste Zeit, mit Brunners Burg seinen Spaß zu haben, war für Thomas der Oktober. Der Apfelbaum im Vorgarten lieferte täglich frisches Fallobst und damit ideale Kanonenkugeln, um den Angriff auf Brunners Burg zu wagen. Ziel waren die Fahnen und die roten Turmspitzen. Thomas wurde mit der Zeit immer zielsicherer, bis die vielen Äpfel die Bausubstanz der Burg so geschwächt hatten, dass die Turmspitzen neben der Burg lagen. Jetzt war es besser im Haus zu verschwinden. Es dauerte nicht lange und dann ging es los. Der Burgbesitzer, von allen nur “der Brunner” genannt, tobte wie ein Verrückter durch den Garten: “Wenn ich dich erwische du Saukerl, ich versohl Dir den Arsch, ich nagel dich an die Wand, ich hau dir aufs Maul” und so weiter und so weiter. Er verwandelte sich langsam in einen schäumenden bissigen Schäferhund sprang am Jägerzaun hoch, der seinen Vorgarten von Thomas trennte und bellte mit fletschenden Zähnen über den Zaun. Bis seine Frau ihn an die Leine nahm und ins Haus zerrte. Die Leine zog ihm den Hals zu, die Augen traten hervor und bald war nur noch ein zorniges Röcheln zu hören und dann war er hinter der Haustür verschwunden. Klar, dass das ein Nachspiel haben mußte, die Beweise waren erdrückend: Thomas Apfelbaum war weit und breit der einzige und dessen Äpfel lagen nunmal neben der Burg. Was das bedeutet kapierte auch der dümmste Schäferhund.

Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 7

“DAS WAR DIE KARIN!”

Im Erdgeschoß links wohnte Hermann Müller. Das war der mit dem Bein, also dem linken, das er nachzog. “Das war der Iwan!” schrie er übern Hof, wenn ihm Thomas wiedermal zu lange, aber wie gebannt, hinterherschaute. Mit seinen sechs Jahren wußte Thomas nicht was das bedeuten sollte, aber es klang sehr geheimnisvoll. Hermann schnippte seine Kippen grundsätzlich in den Vorgarten. Na ja, vielleicht war zu Hause der Aschenbecher voll. Herr Müller hatte eine Tochter, Karin. Sie war bestimmt doppelt so alt wie Thomas, zehnmal so schwer, aber genauso intelligent wie der kleine Thomas. Und sie wollte ihn verführen, die kleine Schlampe, verführen zum Kippenrauchen. Thomas und Karin pflückten also die Kippen zwischen Waldis Haufen und versteckten sich dann hinten bei den Garagen, um dort “Erwachsensein” zu spielen. Gesprochen wurde nicht viel – damit war Karin auch leicht überfordert – Erwachsensein hieß Zigaretten rauchen! Also genaugenommen, die von Hermann vollgesabberten Zigarettenfilter mit Resttabak zwischen die Lippen nehmen und wie die Verrückten daran saugen. Je konkaver die Wangen, desto erwachsener, so ungefähr war die Formel. Auf dem Rückweg zog Thomas dann auch sein linkes Bein nach. “Das war die Karin!”

Der Weltraum, unendliche Weiten – Teil 6

DEM HUND FEHLTE DER KOPF

Was war das für eine Welt, in der Kinder mit Papageien und Hunden spielten und das nicht gleich gepostet wurde. Fotos davon gab es auch erst Wochen später. Wenn überhaupt, denn dazu waren folgende Voraussetzungen nötig: ein Fotoapparat, ein Film, dieser mußte erstmal vollgeknipst werden, der Gang zum Fotograf, um den Film entwickeln zu lassen, und nochmal hin, um die Bilder abzuholen und dann festzustellen, dass die Bilder zu dunkel waren, dem Hund der Kopf fehlte und der Papagei im richtigen Augenblick den Weitwinkelbereich der Kamera verlassen hatte. Deshalb gibt es wenig Beweismaterial aus dieser Zeit. Anders heute: Einmal ins Netz gestellt und alle haben alles gegen dich in der Hand. Und das für alle Ewigkeit.